Über die Mittzwanziger-Krise und Zukunftsangst

Über die Mittzwanziger-Krise und Zukunftsangst

Über die Mittzwanziger-Krise und Zukunftsangst

„Und was hast du jetzt so für Pläne nach dem Studium?“ – Immer dieselbe nervenaufreibende Frage. Wenn ich eine Antwort darauf hätte, dann würde ich sie in die Welt hinausschreien, oder zumindest aus meinem Fenster, sodass es meine Nachbarn – vor allem der von Gegenüber, der mir in der Prüfungszeit mit seinem Hardcore Metal den letzten Nerv geraubt hat – auch mitbekommen!

Die Wahrheit sieht aber so aus: Ich habe den doppelten Bachelor seit Februar in der Tasche, bin eine ziemliche Streberin – auch wenn ich es so nie zugeben würde (Hups, hab‘ mich wohl selbst verraten) – und habe einfach keine Ahnung was ich als nächstes machen möchte. Ich hatte immer einen Plan vor Augen: Schule, Uni, Arbeit. Egal wie langweilig sich dieser Plan anhören mag, mir hat er immer Trost gespendet und die große, weite und Angst einflößende „Erwachsenen-Welt“ in gewisser Hinsicht kleiner wirken lassen. Doch nun bin ich ratlos. Mir stehen plötzlich so viele Türen offen und gleichzeitig werden sie mir alle vor der Nase zugeknallt ohne mir einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Das Leben als Mittzwanziger ist hart, vor allem in unserer Generation. Viele studieren, viele absolvieren Praktika – dass sie schlecht bezahlt sind muss ja niemand erfahren – fast jeder macht etwas Besonderes und Kreatives in der Freizeit und jeder hat mindestens einen Auslandsaufenthalt hinter sich. Wie schafft man es also sich von der Masse abzuheben? Was ist, wenn ich mich gar nicht von der Masse abheben, sondern einfach mal mein 23-jähriges Bestehen genießen und mir nicht ständig Sorgen um die Zukunft machen möchte? Tja, das geht nicht! Die Sorgen begleiten mich überallhin. Problematisch wird es, wenn ich mir vorstelle, dass meine Eltern in meinem Alter bereits verheiratet waren, ein Haus gebaut und ein dreijähriges Kind großgezogen haben. Und ich? Ich darf nach 3,5 Jahren Studium die Kürzel B.A. B.A. hinter meinen Namen hängen und die ersten Fältchen (OMG ich habe schon Falten) mit Make-Up kaschieren. Cool!

st (3 von 11)

Ich habe mich umgehört. Nicht nur mir geht es so. Der Satz „Ich weiß nicht was ich will.“ geht einer Vielzahl von 20 bis 30 Jährigen durch den Kopf. Populärwissenschaftlich spricht man von der „Quarterlife Crisis“, einer Modeerkrankung aus den USA (war ja klar). Im Endeffekt leiden wir an einer Art Depression, weil uns von Anfang an vermittelt wird die Welt liege uns zu Füßen, doch wenn wir tatsächlich ankommen stehen wir vor verschlossenen Türen. Das Phänomen „Mittzwanziger-Krise“ mag von vielen belächelt werden (auch von mir! Come on, seriously?!), doch im tiefsten Innern können wir uns alle mit den Symptomen identifizieren. Nach dem Abschluss der Universität befinden wir uns vor einem großen, weiten, schwarzen Nichts, das sich Zukunft nennt. Dieses Nichts verunsichert uns. Zum ersten Mal wissen wir nicht so recht was uns als nächstes erwartet. Gleichzeitig wissen wir auch nicht was wir wollen. Wir geben uns nicht mit dem zufrieden was wir haben, sondern wollen immer mehr, mehr, mehr! Doch was genau ist dieses „mehr“? Ich glaube das wissen wir alle nicht. Wir sind alle behütet aufgewachsen, hatten eine angenehme Kindheit, haben mit gutem Erfolg unsere universitäre Laufbahn gemeistert. Und nun? Wir arbeiten unser ganzes Leben auf etwas hin, rackern uns ab, sitzen strebsam bis zum Morgengrauen in den Unibibliotheken, arbeiten für Luft und Liebe. Und wofür? Damit unser Lebenslauf immer länger wird und unsere Zukunft immer unsicherer. Doch wenn wir ehrlich zu uns selbst sind würden wir nichts anders machen. Auf diesem steinigen Weg haben wir Freundschaften geschlossen, lebenswichtige Erfahrungen gesammelt und das Leben lieben gelernt.

Eigentlich kann ich mich auch gar nicht beschweren. Ich bin gesund, habe einen Dach über den Kopf, zwei Abschlüsse, einen tollen Job und die beste Mama der Welt. Doch irgendwie fehlt etwas und ich weiß noch nicht was es ist. Vorerst versuche ich aber all das zu verdrängen und mein 23-jähriges Selbst zu feiern. Ich bin – trotz der ersten Fältchen – noch sehr jung und habe mein ganzes Leben vor mir. Der nächste Schritt? Wahrscheinlich einen doppelten Master. Ich habe ja gesagt ich bin eine Streberin… doch worauf ich hinstrebe weiß ich selbst noch nicht so genau 😉

 

Text: Márcia Neves

© Foto: Hanna Oldofredi

Related Stories

Leave a Comment

Leave A Comment Your email address will not be published

1 Comment

  • 9 Jahren ago

    Bei deinem Post muss ich dir absolut Recht geben! Hier und da fragt man sich einfach, ob man das Richtige im Leben tut. Und diese Frage kommt definitiv in den Mittzwanzigern! Ein schöner Post, aber ich denke mit zwei Abschlüssen mit 23 brauchst du dir nicht allzu viele Existenzängste machen 😉

    LG
    Julia
    http://followjuliatulpe.blogspot.co.at