Wo endet Selbstbestimmtheit und wo beginnt Egoismus?

Wo endet Selbstbestimmtheit und wo beginnt Egoismus?

Wo endet Selbstbestimmtheit und wo beginnt Egoismus?

Ich, ich, ich…so beginnen doch die meisten Sätze. „Ich finde…“, „Ich habe…“, „Ich kann…“, „Ich will…“! Das Leben dreht sich um einen selbst – und das ist auch gut so, ist ja schließlich das eigene und nicht das des Nachbarn. Doch wie viel darf man Ich sein, bevor man als Egoist gilt? Wie viel darf man sich um die eigenen Dinge kümmern, bevor man als Arschloch durch die Welt geht?

Kitschige Filme haben es mir wirklich angetan. Ich bin gerne glücklich, doch manchmal habe ich auch so richtig Lust auf Weinen. Schluchzen befreit und kratzt bei mir an den untersten Rand der verborgenen Gefühlsschale. Ganz unbewusst muss da scheinbar etwas raus und das geht immer sehr gut bei wirklich kitschigen Romanzen. „Liebe braucht keine Ferien“ ist beispielsweise so eine. Nicht nur, dass ich bei diesem Film herrlich Tränen vergießen kann, so hat er mich auch nachdenklich gemacht. Ein Satz ging und geht mir nicht mehr aus dem Kopf: „Du musst selbst die Hauptdarstellerin deines Lebens sein.“ Das finde ich sehr wichtig. Wieso sollte sich das eigene Leben auch um jemand anderen, als um einen selbst, drehen, man hat ja schließlich nur das eine.

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Ich habe es noch nicht ganz raus

Theoretisch lässt sich Egoismus ganz gut definieren – schließlich haben sich schon viele schlaue Köpfe mit diesem Begriff auseinandergesetzt. Es handelt sich um das „Streben nach Erlangung von Vorteilen für die eigene Person, nach Erfüllung für die eigene Person betreffenden Wünsche ohne Rücksicht auf die Ansprüche anderer“ (Duden). Im Prinzip ist mir das klar, doch wo beginnt Egoismus und wo endet das gesunde An-sich-Denken? Ist das Twinnie-Eis alleine vernaschen in Ordnung, oder sollte man doch eine Hälfte aufgrund der Vermehrung von Freude herschenken? Ist es ok, ins Ausland zu ziehen, obwohl man weiß, dass das der Mami zu Hause ein großes fettes Loch ins Herz reißt?
Im Teilen bin ich wohl schon ganz geübt, doch die wichtigeren Fragen, die die viel Empathievermögen abverlangen und gleichzeitig an das Priorisieren der eigenen Bedürfnisse appellieren, wie beispielsweise die Auslandsfrage, machen mein Leben zu einem Grübelei-Marathon.

Die Grenzen verschwimmen

Ich bin ein sehr gefühlsbetonter Mensch, der es gerne jedem Recht macht – das ist nicht immer leicht, wollen doch so viele so unterschiedliche Dinge und selbst mischt man ja auch noch mit. Es ist natürlich am leichtesten nur an sich zu denken. I´m the king and you are the servants! Doch macht mich das nicht wirklich glücklich. Was bedeutet denn Freude, wenn man sie nicht teilt? Wenn man etwas tut und damit gleichzeitig andere ins große Unglück stürzt, hat doch das eigne Vorhaben schon wieder an Reiz verloren. Ich habe das Gefühl, es gibt da einen Messbecher für menschlich vertretbaren Egoismus, nur die Grenze zwischen „Ich und andere sind wichtig“ und „Ich bin der König der Welt“ dürften verschwimmen, was das Bleiben in der bevorzugten unteren Zone deutlich erschwert.

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Geteiltes Leid ist halbes Leid?

Fraglich ist, wo wir wären, wenn jeder einzelne ein Egoist wäre…als Summe an Menschen, als Weltgesellschaft. Ich denke, dass die Erde ein weitaus dunklerer Ort wäre – wir würden blind aneinander vorbeilaufen, ohne darüber nachzudenken, was die anderen wollen. Das betrifft einen natürlich auch selbst: denn die anderen würden sich genauso wenig um mich kümmern, wie ich mich um sie. Geteiltes Leid, weil jeder einzelne so handelt, macht deshalb nicht weniger Leid aus, sondern noch viel mehr. Egoismus ist nicht Schönes, Selbstbestimmtheit jedoch schon. Sich zu überlegen, was man selbst gerne möchte, was man zu erreichen gedenkt und dies in sein Lebenskonzept zu integrieren, ist gut. Doch dieses Gedankenkonzept sollte auch immer ein bisschen Platz für die Bedürfnisse der Mitmenschen einräumen.

Ein bisschen etwas vom eigenen Glück hergeben

Also denke ich, dass man sehr wohl etwas gegen die ganzen Ich-leins dieser Welt tun kann und vor allem auch etwas, um der Gefahr, selbst eines zu werden, vorzubeugen.  Im reflektierten Handeln sehe ich die Basis zum Erfolg. Das viele Denken und Grübeln macht den Alltag natürlich komplizierter, als er sein muss – doch: gut Ding braucht Weile! Kompromisse müssen geschlossen werden, denn eines ist klar: nur sehr selten werden alle gleichmäßig zufrieden gestellt. Doch ein bisschen etwas vom eigenen Glück hergeben, kann manchmal noch viel glücklicher machen. In den meisten Fällen bekommt man ja schließlich etwas zurück. Das muss gar nichts Materielles sein; oftmals ist es ein Lächeln, Dankbarkeit oder Wertschätzung und das kann in traurigen Zeiten wichtiger sein als Luft oder Wasser.

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