„Schauen wir mal“ – Die Unverbindlichkeit unserer Generation

„Schauen wir mal“ – Die Unverbindlichkeit unserer Generation

„Schauen wir mal“ – Die Unverbindlichkeit unserer Generation

Wir haben etwas zu Feiern, ob Geburtstag, Bachelorabschluss oder das Leben. Auf der Party selbst erscheint aber kaum jemand, obwohl wir Wochen vorher ein Facebook-Event erstellt haben. Die Event-Pinnwand zieren Sätze wie „Schauen wir einfach spontan“, „Ich glaube da habe ich schon etwas vor“. Der Ab- oder Zusage-Button wird gar nicht erst angeklickt. Stattdessen bietet Facebook nun eine neue Funtkion an: „interessiert“.

Ich bin „interessiert“. Ich interessiere mich für viele Dinge gleichzeitig. So gehören zu meinen Interessen: Lesen, Schreiben, Tanzen, Fotografieren, Reisen und noch vieles mehr. „Interessiert“ kann vieles heißen, bindet einen aber nicht gleich an fixe Dinge. Nur weil ich mich für das Schreiben interessiere macht es mich nicht automatisch zu einer Autorin. Und so geht unsere Generation auch mit zwischenmenschlichen Beziehungen um. Wir sind interessiert, aber brennen nicht genug dafür, um uns sofort zu entscheiden, wir „schauen halt mal“.

Daran ist auch nichts auszusetzen. Ich bin da nicht besser. Ich klicke ständig auf „interessiert“ und werfe gerne mit Sätzen wie „Ich schaue einfach spontan“ um mich, weil ich mich nicht festlegen möchte. Es könnte ja sein, dass ich an dem Abend doch zu müde zum Feiern bin und so enttäusche ich meine Freunde nicht, indem ich dann vielleicht kurzfristig absage.

 

© Philipp Lipiarski

Früher hat man sich für Freitag 20 Uhr in der Stammkneipe verabredet. Wollte man absagen, musste dies per Brieftaube, Morse-Code oder Pager geschehen. Extrem mühsam. Deshalb ging man Verbindungen ein und hat nur dann abgesagt, wenn es wirklich notwendig war. Jetzt leben wir aber in einer digitale Welt, in der jeder 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Dies ermöglicht es uns alle Optionen bis zum letzten Moment offen zu halten und keine festen Verbindungen einzugehen. Wir möchten flexibel sein. Verbindungen einzugehen heißt, sich festzulegen und die Erwartungen des Gegenübers erfüllen zu müssen. „Erwartungen“ Brrr, was für ein gruseliges Wort.

Wir haben Angst vor den Vorstellungen anderer und davor, etwas zu verpassen. Etwas Besseres, Lustigeres, Spannenderes. Unsere Generation wird als „Multioptionsgesellschaft“ bezeichnet. Uns stehen alle Türen offen und deshalb ist es schwer sich für nur eine einzige Tür zu entscheiden. Was ist, wenn hinter den anderen Türen doch etwas Besseres lauert?

Dieses Verhalten legen wir nicht nur bei der Wahl der nächsten Party, des nächsten Reiszieles, Studienfachs oder Jobs an den Tag sondern und vor allem auch in der Liebe. Wir sind unverbindlich und unentschlossen. Wir fürchten uns davor Verpflichtungen einzugehen und fordert unser Partner zu viel fliehen wir. Warum? Weil unser Partner zeigt, dass er Erwartungen an uns hat und wir diese nicht erfüllen können bzw. wollen. Stattdessen drücken wir uns vor der Herausforderung.

Meistens betonen wir schon beim ersten Treffen – Date sagt keiner mehr, das würde zu viel Druck erzeugen und implizieren, dass man ja Erwartungen an das Treffen hat – dass wir nichts Festes suchen, machen dann aber trotzdem weiter, aber immer mit einem Fuß draußen. Man könnte ja schließlich jemand Besseres treffen und will sich die Option eben frei halten.

 

© Philipp Lipiarski

Eigentlich würden wir ja gerne Verbindungen eingehen, aber es gibt etwas, dass uns davon abhält. Eigentlich wissen wir, dass es besser wäre bei Einladungen zu- oder abzusagen. Uns würde es auch niemand böse nehmen – vielmehr wissen wir, dass unsere Unverbindlichkeit anderen auf die Nerven geht, aber irgendwie können bzw. wollen wir das sobald auch nicht ändern.

Ich wäre dafür, dass wir mal anfangen konkreter zu sein. Wir müssen uns ja nicht sofort für die Person entscheiden, die die Liebe unseres Lebens werden soll. Stattdessen könnten wir klein anfangen und bei der nächsten Einladung einfach mal auf ab- oder zusagen klicken. Das wäre ein Anfang…

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6 Comments

  • 9 Jahren ago

    Ein sehr gelungener Beitrag!.. Ohje, ich hab mich an so vielen Stellen wiedererkannt. Ich gehöre auch zu denen, die sich alle Optionen offen halten, am liebsten alles nur spontan machen und keine festen Termine im Voraus planen. Bin selbst am überlegen, warum und seit wann das bei mir so ist. Auf jeden Fall regt dein Text sehr zum Nachdenken an und hat mich mal wieder daran erinnert, dass ich vielleicht doch mal etwas konkreter werden soll 🙂

    Liebe Grüße, Johanna von StreetstylePlanet

    • Marcia
      9 Jahren ago

      Liebe Johanna,

      vielen lieben Dank für deinen Kommentar und freut mich dass dir der Text sehr gefallen hat. Ich kann wirklich sagen dass ich auch ein Mensch bin der sich gerne alles offen lässt andererseits verlange ich von anderen dass sie konkrete Pläne machen wenn ich was mit ihnen unternehmen will. der ewige Teufelskreis…

      Also: einfach generell etwas konkreter werden… ein Anfang zumindest 😀

      Alles Liebe
      Márcia
      xx

  • Hi =)
    Ich finde, du sprichst da ein wichtiges Thema an! Ich finde, wenn man ständig auf der Suche nach etwas noch besserem ist, verpasst man die Chance, glücklich zu sein – das gilt für Partys genauso wie in der Liebe!
    Liebe Grüße
    Susi

    PS: Ich habe übrigens auch vor einiger Zeit einen ähnlichen Artikel geschrieben. Würde mich freuen, wenn du mal reinschaust http://www.fairytalegonerealistic.com/2015/10/16/unverbindlichkeit-in-zeiten-von-whatsapp-und-co/

    • Marcia
      9 Jahren ago

      Liebe Susi,

      vielen lieben Dank :)) Du hast wirklich Recht.. wer sich nicht festlegt verpasst wirklich die Chance einfach mal glücklich zu sein und den Moment zu genießen.

      Dankeschön, dann werde ich mir deinen Artikel auch mal durchlesen

      xxx

  • 9 Jahren ago

    Ein schöner Beitrag. Ich ärgere mich viel zu oft über Freunde und Bekannte, die sich einfach nicht entscheiden wollen und lieber den bequemen Weg des „Schau mal mal“ gehen, weil sie ja vielleicht doch irgendwas verpassen könnten, irgendwie etwas Spannenderes rausschauen könnte. Mittlerweile halte ich den Spielraum in der Hinsicht viel schmäler und verabrede mich dann einfach mit anderen. Ich renne niemandem mehr hinterher und frage mehrmals nach, so wie ich das früher getan habe.
    Das heißt nicht, dass man nicht mal spontan sein kann aber es nervt mich, wenn ich mir den Abend freihalte und für andere einfach nur eine Option bin. Ich finde es geht hierbei einfach um Prioritäten und Menschen, die ich gerne habe, verdienen eine Zu- oder Absage. Optionen halte ich mir nur offen, wenn mir etwas nicht wichtig genug ist. Ganz ehrlich.

    • Marcia
      9 Jahren ago

      Liebe Mirela,

      vielen lieben Dank für dein Kommentar. Ich kann dich absolut verstehen. Du hast schon Recht, dass es um Prioritäten geht, aber ich merke es auch bei engen Freunden, dass sie sich Optionen frei halten möchten… Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann sich so ein Verhalten eingebürgert hat und wieso er jetzt schon als „normal“ gilt. Ich finde es furchtbar ständig Leuten hinterherrennen zu müssen. Es ist mühsam und nervig und wie du schon sagst, irgendwann hat man einfach die Nase voll und meldet sich dann gar nicht mehr….

      xxx