Brief an mein 15-jähriges Ich

Brief an mein 15-jähriges Ich

Nachdem ich im letzten Jahr mit der Gefühlsachterbahn gefahren bin und mit absoluter Sicherheit dachte die Welt würde untergehen – vermutlich lag das eher am Absetzen der Pille und dem damit einhergehenden Hormonwirrwarr in meinem Körper und dem schrecklichsten und kältesten Winter in Wien seit 30 Jahren – hat mir ein Freund das Buch „A man’s search for meaning“
von Viktor Frankl empfohlen.Das Buch hat mich so inspiriert und auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, dass ich nicht anders konnte, als über die Bedeutung des Lebens nachzudenken. Ich schämte mich dafür, meine kleinen Probleme so aufzublasen, wenn andere Menschen weitaus schlimmere Sorgen hatten, und es trotz dieser schafften sich ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Kurze Zeit später las ich das Buch „Letter to My Teenage Self“ von Grace Halphen. Die 13-jährige Grace hatte es nicht leicht in der Schule. Sie fühlte sich ausgeschlossen und nicht verstanden. Statt sich diesen Gefühlen der Einsamkeit hinzugeben, wurde sie aktiv. Sie kontaktierte australische Berühmtheiten und bat sie ein Brief an ihr früheres Ich zu schreiben mit Ratschlägen, die sie damals gerne gehört hätten. In ihrem Buch sind all diese Briefe gesammelt und sollen jungen Menschen, die selbst mit Problemen zu kämpfen haben, in dieser Zeit beistehen. Daraus entstand auch die Idee, mir selbst einen Brief zu schreiben…

© Frederick Nilsson | www.facebook.com/fredericknilssonphotography

Liebe 15-jährige Márcia,

Kürzlich habe ich viel über meine Jugend- und Schulzeit nachgedacht. Klar, bin ich noch nicht alt, aber mit der Zeit und dem verstreichen der Jahre, lernt man dazu. Dinge, die früher den Weltuntergang bedeuteten, sehe ich mittlerweile als lächerlich an und tue sie mit einem Schulterzucken ab. Die Gefühlsachterbahn, die sich Schulzeit und Pubertät nennt, kann nicht umgangen werden. Sie gehört nun einmal zum Erwachsen werden dazu und macht uns zu dem Menschen, der wir heute sind.

Es gibt genug Plattitüden über die Schulzeit, an denen sich Drehbuchautoren noch in 100 Jahren bedienen werden, siehe das Buch und nun auch Netflixserie „13 reasons why – Tote Mädchen lügen nicht“. Auch wenn es manchmal den Anschein haben mag, sei beruhigt, die Schulzeit ist nicht die Blüte unseres Lebens. Alles was danach kommt, ist so viel besser, als die Jahre, die wir zusammengepfercht mit 25 anderen pubertierenden Kindern in engen Räumen, in denen die abgestandene Luft nach „Teen Spirit“ roch, verbracht haben. Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass die coolen Kids von damals gar nicht mehr so cool sind. Sie sind auch nur Menschen, auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt, wie du, wie wir.

Dennoch gibt es Dinge, die ich damals gerne gewusst hätte, als ich, wie besessen in mein Tagebuch schrieb, wieso mich XY heute so behandelt hat, oder mich traurig fragte, was XY schon wieder über mich gelästert hätte.

© Frederick Nilsson | www.facebook.com/fredericknilssonphotography
Wenn ich einen Weg finden könnte, mich wie Tom Riddle in mein damaliges Tagebuch zu katapultieren, nur halt weniger creepy, dann würde ich dir folgendes Raten.

Die Schulzeit sind die wichtigsten leiderfüllten Jahre deines Lebens

Wenn du jetzt gerade 15 Jahre alt bist, dann wirst du in knapp einem Jahr Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“
lesen und das auch noch in der französischen Originalfassung, weil du eine furchtbare Streberin bist. Achtung Spoiler Alert! Er hatte ein miserables Leben. Auf dem Sterbebett blickte er zurück und sah ein, dass all die Jahre, in denen er Leid verspürte, die besten seines Lebens waren, weil sie ihn zu dem Menschen machten, der er ist. All die Jahre, in denen er glücklich war, waren seiner Meinung nach, eine totale Verschwendung. Er hat nichts aus ihnen gelernt. Ich will damit nicht sagen, dass du nun für immer leiden musst, weil nur wer leidet, der lernt, sondern, dass du dir immer wieder in den Kopf rufen sollst, dass die schlimme Zeit vorbeigehen und eine bessere kommen wird und erst wenn diese Zeit kommt, wirst du wissen weshalb du leiden musstest und was du daraus gelernt hast. Hätten wir in der Schule eine einfache und coole Zeit gehabt, würde ich jetzt nicht hier sitzen und dir einen Roman schreiben. Dazu passt auch mein Lieblingszitat von Peter Stamms „Agnes“: „Glück malt man mit Punkten Unglück mit Strichen. Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst, ganz viele kleine Punkte machen (…) Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.“

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Gruppenzwang hilft dir deine Grenzen zu finden

Wenn es nicht für deine sogenannten Freunde wäre, die deine Grenzen ausreizen, woher solltest du dann wissen an welche Prinzipien zu glaubst? Woher solltest du wissen, was du mit deinem Leben anfangen möchtest und wer du sein willst? Gruppenzwang ist ein Spiegel, der dir jeden Tag vor das Gesicht gehalten wird, und dir sagt: „Ist das wirklich die Person, die du sein willst? Mit welcher Art von Mensch möchtest du Zeit verbringen?“ Obwohl es noch nicht danach aussieht, hast du dadurch die Möglichkeit herauszufinden, was sich für dich richtig anfühlt und was nicht. Erst dann wirst du wissen, wer du bist, wer du sein möchtest, wofür du stehst und woran du glaubst. Sieh die Zeit als Lernprozess, in denen sich deine Moral- und Wertvorstellungen, die dein gesamtes restliches Leben beeinflussen werden, herausbilden.

Drama wird dir helfen mit deinen Gefühlen umzugehen

Ich weiß, dass du momentan eigentlich überhaupt keine Gefühle nach Außen zulässt. Aber diese emotionalen Momente, in denen du denkst, alle reden hinter deinem Rücken über dich, werden dir lehren, mit deinen Gefühlen klarzukommen. All die verflossenen Tränen, werden dir dein Rückgrat bilden. Dieser Knochen bildet das Fundament, das dich durch alle die späteren Verluste tragen wird. Believe me, Drama hilft dir, deine Gefühle zu regulieren und deine Emotionen zu stabilisieren. Würdest du dich selbst heute sehen, würdest du dich nicht wiedererkennen. Was ist aus dem kleinen, schüchternen, mausgrauen Bücherwurm, das nur Tanzen, Tanzen, Tanzen im Kopf hatte, geworden? Wir haben uns weiterentwickelt und gelernt, dass es manchmal wichtig ist seine Klappe aufzumachen und seine Meinung zu sagen. Andererseits bin ich gerade dabei zu lernen, sie wieder ein bisschen zu schließen, denn mein Sinn für Gerechtigkeit, hat mich in einem Seminar wohl eine schlechtere Note gekostet. Ein bisschen unfair, findest du nicht?

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Elternliebe ist alles was du brauchst

Du denkst dir jetzt sicher: „Was labert die?“ Aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass unsere Eltern mit Abstand die besten sind, die du dir je wünschen könntest. Auch wenn du die Freiheiten, die sie uns geben, nie wirklich nutzt, hast du sie. Andere Kinder in deinem Alter müssen lügen. Mag sein, dass wir mit 15 Jahren dachten unsere Eltern seien auf der Welt, um uns das Leben schwer zu machen und uns Spaß zu verbieten, aber das einzige was sie für uns wollen, ist das Beste, das die Welt zu bieten hat. Sie haben Angst davor, dass wir falsche Entscheidungen treffen, auch wenn, diese nun einmal zum Leben dazugehören. Mama hat dir sicher schon gefühlte eine Trillion Mal gesagt: „Du wirst mich erst verstehen, wenn du selbst Kinder hast.“ Sorry to disappoint, ich habe zwar, oder eher, Gott sei Dank, noch keine eigenen Kinder, aber ich kann ihre Aussage bereits jetzt verstehen. Also versuche dich manchmal etwas zurück zu nehmen und dich in sie hineinzuversetzen. Sie sieht gerade wie ihr kleines Mädchen erwachsen wird und ihren eigenen Weg geht und sie möchte dich nur vor Fehltritten beschützen.

Deine erste Liebe ist nicht deine wahre Liebe

Auch wenn es bei dir jetzt noch nicht soweit ist, möchte ich dich schon vorwarnen. Unsere erste Liebe, so wunderschön und gleichzeitig furchtbar, wie sie war, ist nicht unsere wahre Liebe. Ich weiß das wirst du mir zum gegebenen Zeitpunkt vermutlich nicht glauben, weil deine Hormone verrücktspielen und ihr beide doch glücklich seid. Aber irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem ihr euch auseinanderleben werdet. Ihr habt verschiedene Interessen und eure Wege werden sich trennen. Du wirst denken, dass du nie wieder lieben wirst und die Welt geht unter, aber genau diese Erlebnisse machen dich widerstandsfähig. Das Leben ist voller Enttäuschungen, Trennungen, Verluste und zerplatzter Träume. Diese Jugendverluste werden dich lehren, mit den Höhen und Tiefen des Lebens umzugehen.

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Wahre Freunde werden immer für dich da sein

Momentan dreht sich bei dir alles um Freundschaften. Einige dieser Freundschaften werden dir im Laufe der Jahre auch erhalten bleiben und obwohl ihr in unterschiedlichen Ländern lebt, und ihr euch monatelang nicht hört, seid ihr trotzdem füreinander da, wenn ihr es braucht. Genau diese haben uns den Wert eines wahren Freundes gelehrt und wie man selbst zu einem wird.

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Was würdet ihr eurem früheren Ich raten, wenn ihr die Chance dazu hättet?
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Look Woher:
Kleid – Zara
Jacke – Zara
Schuhe – Steve Madden
Tasche – Stella McCartney
Ohrringe – Monki

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2 Comments

  • Victoria
    8 Jahren ago

    Sehr schöner Beitrag und eine echt coole Idee 🙂

  • 8 Jahren ago

    Liebe Márcia,
    ein wundervoller Brief an dein 15-jähriges Ich!
    Nun habe ich dank dir ein Buch auf meiner Leseliste 🙂
    Ganz liebe Grüße,
    Miriam von Howimetmymomlife