Open Letter: Liebe Männer und Frauen, wir müssen reden

Open Letter: Liebe Männer und Frauen, wir müssen reden

Open Letter: Liebe Männer und Frauen, wir müssen reden

Es spielt keine Rolle, ob eine Frau das Haus in einem Clown-Kostüm, einem Dirndl, einem Niqab, in Hotpants und Croptop oder in einem Paar leicht durchschimmernder aber super bequemer Leggings verlässt. Solange es ihre eigene Entscheidung war sich so zu kleiden, hat sie das Recht, das zu tragen, was sie will.  Und doch kommt das Thema, was Frauen zu tragen und nicht zu tragen haben, immer wieder auf. Beim besten Willen kann ich die krampfhafte Fixierung mit diesem Thema nicht verstehen. Im 21. Jahrhundert geht es nicht in mein Gehirn hinein, wie zurückgeblieben manche Menschen noch sind und meinen ein Recht darauf zu haben Frauen vorzuschreiben, welchen Stoff, in welcher Farbe, Form und Muster sie an ihrem Körper tragen dürfen und welche nicht.

In den letzten Jahrtausenden wurde Frauen ständig vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden haben – und zwar, von niemandem anderen, als unserer patriarchalen gesellschaft.

Letztes Jahr war es das Burkini-„Debakel“ in Südfrankreich, davor die Frauen im Iran, die sich die Haare abrasierten, damit sie nicht gezwungen werden, einen Hijab zu tragen. Bis 2013 war es Pariserinnen offiziell verboten, Hosen zu tragen. Natürlich hat sich keine einzige Frau daran gehalten, aber verboten war es trotzdem. Während sich in Europa niemand mehr um diese Gesetze schert, steht es in anderen Ländern aber noch immer an der Tagesordnung Frauen alltägliche Dinge wie „Jeans“ zu verbieten. In 2009 wurden 13 Frauen in Karthum, Sudan verhaftet und zu Peitschenhieben verurteilt, weil sie – OMFG – Hosen in der Öffentlichkeit trugen. Ich meine, wie konnten sie nur?! Skandalös!

Während in 2015 in Frankreich eine muslimische Schülerin vom Unterricht ausgeschlossen wurde, weil ihr Rock zu lang war – ihr habt richtig gelesen, der Rock war zu lang – verbietet das deutsche Gymnasium in Eppendorf bei Hamburg den Schülerinnen „Hotpants“ und „tiefe Ausschnitte“ zu tragen. Grund: Sie (!) würden die männlichen Mitschüler und Lehrer ablenken.

Selbstverständlich wurde zu dem Thema auch sofort ein Mann, Fredrik Dehnerdt, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Hamburg (GEW) von der Zeit interviewt. Denn Herr Denherdt, weiß ja genau wie es ist, als pubertierendes Mädchen mit diversen Kleidungsstilen herum zu probieren. Damit ihr euch den Blödsinn nicht antun müsst, den Herr Denherdt von sich gibt, fasse ich seine Worte schnell zusammen. Im Endeffekt sagt er, dass Mädchen, dafür verantwortlich sind, ob der Unterricht reibungslos und störungsfrei verläuft, denn für Mitschüler und Lehrer sei es nicht einfach in tiefe Brustausschnitte zu schauen.

Entschuldigen Sie bitte, Herr Denherdt, aber was reden Sie da?

Sie spielen jede erdenkliche Rape-Culture-Karte aus, die es gibt. Wenn ich mich als erwachsener Mann von dem Brustausschnitt eines Kindes abgelenkt fühle, dann habe ich als Mann ein Problem und nicht meine Schülerin!

Wieso muss Mädchen ihre Kleiderwahl immer vorgeschrieben werden? Warum ist es die Schuld des Mädchens, dass ihre Mitschüler und Lehrer (!) sie sexualisieren und sich durch ihren weiblichen (ähm – kindlichen) Körper abgelenkt fühlen? Hat sich jemand schon mal überlegt, dass nicht Ausschnitte den Unterricht stören, sondern der Schweißgeruch von pubertierenden Jungs? Habt ihr alle schon vergessen, wie es in Klassenzimmern gerochen hat? Also ich empfand das weitaus störender, als den Ausschnitt meiner Sitznachbarin. Wenn Mädchen eine Kleiderordnung bekommen, dann sollten Jungs bitte auch Regeln zur eigenen Körperhygiene auferlegt werden. Wer stinkt muss nach Hause gehen und duschen!

Immer dieses Victim Blaming. Immer sind Frauen Schuld, wenn ihnen böse Dinge passieren. Boys will be boys. Ich kann das alles nicht mehr hören. Ganz zu schweigen von der laufenden Beharrlichkeit, dass Vergewaltigungsopfer vor Gericht erzählen sollen, was sie anhatten, als die Tat passierte oder wie viel sie getrunken hatten. Was haben diese Details mit der Tat zu tun? 1998 ließ ein italienischer Richter ein Vergewaltiger frei, weil das Opfer eine Jeans trug. Seiner Logik nach zu urteilen, sind Jeans Keuschheitsgürtel und deswegen könne das Opfer gar nicht wirklich vergewaltigt werden. Achso?  Am Donauinselfest wird eine Vergewaltigung von Zivilpolizisten rechtzeitig gestoppt, der Täter kommt später jedoch frei. Brock Turner vergewaltigt eine bewusstlose Frau und sein Vater sagt in den Medien er sei ja gar nicht richtig zum Zug gekommen. Was soll der Scheiß? Das macht mich richtig wütend!

Und uns? Uns wird als Frauen von klein auf eingetrichtert, dass wir uns achtsam kleiden, müssen – ja nicht zu viel Haut zeigen. Wenn wir abends ausgehen, sollen wir aufmerksam bleiben. Immer zweimal über die Schulter schauen, niemals ins Handy. Keinen Pferdeschwanz tragen, denn Vergewaltiger hätten somit einen guten Griff, um uns zu Boden zu zerren. Stets den Schlüssel in der Hand, damit man im Notfall dem Täter ins Auge stechen kann. Hat man aber Pfefferspray dabei, könnte man selbst belastet werden. Dieser Teufelskreis.

Das Schlimme ist, dass es diese Tipps überhaupt gibt, because „boys will be boys“. Was ich allerdings noch viel erschreckender finde, ist der Hass, den Frauen versprühen, wenn eine andere Frau vergewaltigt wurde und sich herausstellt, dass sie einen kurzen Rock anhatte, als die Tat passierte. Das allein zeigt schon der Fall Gina Lisa Lohfink. Nur weil sie Gina Lisa ist, hat man(n) das Recht sich an ihr zu vergehen?

Alter Schwede! Es ist Sommer, es ist heiß!

Selbst wenn ich nackt vor einem Mann stehen würde, hätte er kein Recht mich anzufassen, solange ich es nicht erlaube. Kürzlich wurden Nina und ich von einer Frau beschimpft, dass wir zu wenig anhätten und wir uns bitte nicht wundern sollten, wenn wir begrapscht werden. Zuallererst ist es furchtbar erschreckend, dass Frauen gegenüber anderen Frauen so viel Hass und Schadenfreude verspüren, dass sie ihnen so etwas wünschen! Zweitens, ist es erschreckend, wie tief dieser Gedanke in unserer Gesellschaft verfestigt ist.

Statt Frauen für die Taten der Männer verantwortlich zu machen, plädiere ich darauf, dass wir Männer/Jungs so erziehen, dass sie Frauen respektieren – egal was sie anhaben oder nicht! Boys will not be boys! Wenn Männer auf der Straße ohne T-Shirt herumlaufen, weil es so heiß ist, dann komme ich auch nicht plötzlich auf die Idee mir das Recht zu nehmen den Mann einfach anzufassen. Außerdem will ich seinen verschwitzen Körper gar nicht anfassen. Woher nehmen sich dann Männer das Recht uns ohne Erlaubnis zu begrapschen?

Ich will nicht irgendwann meine Tochter so erziehen, dass sie in ständiger Angst leben muss, dass ihr etwas passieren könnte. Ich will nicht irgendwann meinem Sohn eine Freikarte geben, weil er eben ein Junge ist und es nicht anders kennt. Es liegt in unserer Hand das zu ändern!

Was steht ihr zu diesem Thema? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung in den Kommentaren hinterlasst!

Woher:

Jeans Shorts – alte Diesel-Jeans von Mama abgeschnitten
Top – Forever21
Kimono – Zara
Espadrilles – Zara
Tasche – Boutique in Prag
Brille – Ray Ban

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3 Comments

  • Olivia
    7 Jahren ago

    Ich verstehe deinen Ärger und bin da bei vielen Punkte ganz bei dir. Es ist aber auch wichtig zu verstehen, dass Sexualität bzw. was wird als sexuell anregend angesehen, aufgrund von kulturellen und religiösen Gegebenheiten, oft sehr unterschiedlich empfunden wird. Bei uns ist es der tiefe Ausschnitt, in anderen Kulturen ein nacktes Handgelenk. „Wir“ (westliches Europa) sind hier schon einige Schritte voraus was Emanzipation betrifft. Trotzdem gibt es noch einiges an Arbeit. Ich finde, solange man bei der Erziehung der zukünftigen Generationen darauf achtet, dass man sich nicht gegenseitig in spezifische und festgeankerte Genderrollen drängt ist schon mal ein wichtiger Schritt getan. Was Catcalling, Sexuelle Belästigung, etc angeht muss deutlich gemacht werden wie präsent so etwas im Leben einer Frau ist. Ich denke viele Männer haben da überhaupt keine Vorstellung davon und tun das nur mit „ja wennst hübsch bist passiert dir halt sowas“ ab und „hässliche“ Frauen passiert sowas ja eh nicht. Frauen sollten selbst entscheiden dürfen was sie anziehen, ob sie sich die Achsel rasieren möchten, ob sie Kinder kriegen wollen, ob sie bei Regelschmerzen zuhause bleiben wollen. Ich find es wichtig dass du so ein Thema hier ansprichst, denn die beste Waffe die wir (Frauen) haben ist der Diskurs und die Präsenz solcher Themen in den Medien/öffentlichem Leben. Danke 🙂

  • 7 Jahren ago

    Es ist so schade, dass es in 2017 immer noch nötig ist, diese Meinung öffentlich zu vertreten. Warum kann es nicht endlich selbstverständlich sein, dass jeder mit seinem Körper machen darf was er will. Warum packen wir das Problem am falschen Ende an und verbieten einem Geschlecht seine Freiheiten, während wir dem anderen lehren sollten dass es keine Einladungen durch kurze Klamotten gibt und die eigene Sexualität nicht in der Öffentlichkeit ausgelebt werden darf. Ich bin ganz bei dir.

    Liebe Grüße,
    Sylvie von http://www.miss-interpreted.com

  • 7 Jahren ago

    Vielen lieben Dank! Ich muss dir wieder in allen Punkten zustimmen und finde du hast den Nagel einfach auf den Kopf getroffen. Ich brauche da jetzt gar kein ewig langes Kommentar zu hinterlassen – du hast nämlich meiner Meinung nach keine Fragen offen gelassen. Danke für den tollen text und deine öffentliche Meinung zu dem Thema!

    happy weekend
    kerstin
    http://www.missgetaway.com/