Von der Angst sich zu öffnen und fallen zu lassen
Von der Angst sich zu öffnen und fallen zu lassen
Da sitze ich und werde angeschnallt. Langsam macht sich die Aufregung gepaart mit Angst in mir breit. Meine Nackenhaare stellen sich auf, meine Hände schwitzen, aus mir kommt kein Ton. Die Fahrt nimmt ihren Lauf, beginnt bergauf. In meinen Ohren klicken die Gänge und es fühlt sich an als würde ich jeden Moment in den Abgrund stürzen. Das Blut rauscht in meine Ohren und außer dem Pfeifen der Luft ist alles um mich herum still.
Dramatisch reißt es mich bergab und stürzt mich metertief ins Unglück, mein Magen presst sich gegen meinen Rücken und schnürt mir dabei die Luftzufuhr ab. Wie ein Fisch außer Wasser versuche ich zu atmen, doch der Wind peitscht mir ins Gesicht. Alles dreht, wendet und wirbelt sich um mich. Ich möchte schreien.
Ich würde mich nicht gerade als spontanen Menschen bezeichnen. Ich mache gerne Listen, Pro und Kontra Tabellen, um mir alle möglichen Szenarien auszumalen. Auf manche wirkt das langweilig, wenig abenteuerlustig, aber mir gibt das eine Art Geborgenheit zu wissen, was mich erwarten könnte. So als würde ich in die Zukunft sehen.
So geht es mir auch in der Liebe. Ein spontanes, wuchtartiges Phänomen möchte ich kontrollieren und vorhersehen. Mich seelisch, mental und emotional auf das Bevorstehende vorbereiten, nur um am Ende zu realisieren, dass so etwas unmöglich ist.
Man kann Herzensangelegenheiten nicht überprüfen, wie den Status seiner DHL-Bestellung. Das ist mir ziemlich schnell klar geworden. Nach dem x-ten gebrochenen Herzen habe ich eine meterhohe Wand um mich und einen Maschendrahtzaun um mein heilendes Herz hochgezogen. Denn wer sein Herz nicht mehr einfach so herschenkt, dem kann es auch nicht zertreten werden.
Und so sitze ich da schnaufend, um Luft ringend und mir wird bewusst, dass auch diese Wand nichts bringt, denn das blöde Herz hört nicht auf die Pläne, die unser Kopf zu unserem eigenen Schutz konzipiert und unserem dämlichen Herzen sind Wände und Zäune egal. Es will Herr seines eigenen Schicksals sein, also fährt es stur und ungefragt mit der höchsten Achterbahn, obwohl wir eigentlich nur gemütlich im Kettenkarussell sitzen und die Aussicht von oben genießen wollten. Schließlich wurden wir schon oft genug von solchen Ausflügen gebeutelt. Viel zu oft sind wir metertief und ohne Notbremse in den Abgrund gefahren, haben uns oft genug durch Loopings wirbeln lassen und dabei gehofft, dass das Frühstück nicht wieder hochkommt, bis wir irgendwann wieder vollkommen gerädert, erschöpft und voller offener Wunden die Landebahn erreichen und uns fragen, wieso wir uns so etwas immer wieder antun.
Spätestens dann wird auch dem Herzen bewusst, dass es nicht mehr wild und spontan sein will und dass die Aussicht vom Schaukelkarussell von nun an Aufregung genug ist. Von oben kann man beruhigt alles beobachten und muss selbst nicht zu nah herangehen. So werden die Wände wieder hochgezogen und der Maschendrahtzaun wieder angebracht, denn zu groß ist die Angst vor erneuten Verletzungen und zu tief sitzt der vergangene Schmerz.
In diesem Moment realisieren wir eines: Wir haben Angst davor uns zu öffnen und fallen zu lassen. Wir wollen unter allen Umständen unser Innerstes unter Dach und Fach halten und mit einem Sicherheitsschloss vor dem Gegenüber verstecken. Immer cool und lässig wirken und ja nicht zu viel von sich geben, denn der Andere würde uns nur auslachen und auf unseren Gefühlen herum treten, sie ausnutzen. Also wiegen wir uns in Sicherheit, verstecken uns vor emotionaler Nähe und schwören, von nun an höchstens auf das Kettenkarussell zu gehen oder am besten gleich mit den Füßen auf festem Boden zu bleiben und gar nicht erst die Kontrolle abzugeben.
Was wir dabei vergessen, ist, dass Sicherheit und Kontrolle eine Illusion sind und wir uns damit immer mehr in Einsamkeit begeben, denn so wie Liebe hässlich, gemein und voller Wunden sein kann, so kann sie auch wunderschön und überirdisch sein. Irgendwann wird auch das Herz die Aussicht vom Kettenkarussell satt haben und sich den Adrenalinkick der Achterbahn zurück wünschen. Denn im Endeffekt weiß es am besten, was wir brauchen und sich komplett zu verschließen macht unglücklicher als es einfach versucht zu haben. Denn ob man auf potentiellen Schmerz zusteuert oder sich von vornherein etwas oder jemanden verbietet, um Schmerz zu vermeiden, schmerzt doch genauso sehr, wenn nicht mehr, weil man immer mit der Frage lebt „Was wäre wenn?“.
Also lasse ich nun meine Wand herunter, nehme den Maschendrahtzaun ab, verlasse meinen Platz im Kettenkarussell, steige in die Achterbahn, nehme dabei deine Hand in meine und flüstere meinem Herzen leise zu: „Auf ein Neues!“
Woher:
Hose – Calvin Klein (Vintage)
Pulli – H&M
Mantel – Zara
Schuhe – Vans
2 Comments
Liebe Marcia!
Das ist wirklich ein toller und sehr offener Blogpost. Verstehe sehr gut wie du dich fühlst, mir geht es oftmals genau so. Gerade wenn es darum geht neue Menschen in mein Leben zu lassen passe ich gut auf.
Liebe Grüße,
Nina
Liebe Nina,
dankeschön für deine aufrichtigen Worte. Das kann ich so gut nachvollziehen!
xxx