Was meine Tattoos für mich bedeuten #2

Was meine Tattoos für mich bedeuten #2

Vor mehr als einem Jahr veröffentlichte ich ein Blogpost mit genau derselben Überschrift. Darin erzählte ich, warum gewisse Motive nun auf ewig meine Haut zierten. Seitdem zieren aber noch weitere, schwungvolle Wörter, die in mir eine Achterbahn der Gefühle auslösen, meinen Körper, vor allem aber meine Arme.

Warum Tattoos?

Ich  hatte früher nie das Bedürfnis mich tätowieren zu lassen. Ich hatte weder eine konkrete Vorstellung eines Motiv, noch wollte ich es machen, weil es gerade en vogue war. Mich haben persönliche und familiäre Umstände und die Tatsache, dass ein Tattoo auf ewig auf meiner Haut ist und aufgrund dessen die Macht besitzt in mir ein Gefühl von Verbundenheit, Geborgenheit und Liebe hervorzurufen, dazu gebracht eine Nadel mehrmals durch meine erste Hautschicht stechen und schwarze Tinte zu einem wunderschönen Motiv werden zu lassen.

#1 Américo

Mein Vater und ich hatten schon immer eine enge Beziehung zueinander. Ich bin die verwöhnte Prinzessin in der Familie. Daddy’s little girl – und dafür schäme ich mich kein bisschen.

Wenn man in Deutschland eine Note auf eine Klassenarbeit bekommt, müssen die Eltern unter der Note unterschreiben als Zeichen, dass sie die schulischen Leistungen ihres Kindes zur Kenntnis genommen haben. Mein Vater hatte schon immer eine seltsame Unterschrift. Er wollte so eine kritzelartige Unterschrift wie Ärzte sie immer haben, nur sah seine kein bisschen so aus. Vielmehr hatte man das Gefühl, dass er eine coole und einzigartige Unterschrift wollte, sie aber nicht hinbekam, was sie wiederum süß und doch auch einzigartig machte. Er hieß Américo mit Vornamen und das A hat er immer so seltsam geschwungen mit vielen Krakseln, sodass es am Ende eher einem Q glich. Wenn man schnell darüber las, dachte man an Queijo – das Portugiesische Wort für Käse. Die Unterschrift ist Käse. Aber schöner, einzigartiger portugiesischer Käse und deshalb habe ich sie mir stechen lassen. So trage ich immer einen Teil meines Vaters bei mir.

# 8 Kreis mit Punkt

„Ich habe meine Aufgabe erfüllt und bin nach Hause gegangen.“

Auf dieses Symbol brachte mich eine sehr gute Freundin. Auch sie hat es sich unter die Haut stechen lassen, aber aus völlig anderen Motiven als ich, denn ich, ich sah, dieses Symbol, das vor allem bei den Pfadfindern verwendet wird, um seinen Kollegen im Wald eine Nachricht zu hinterlassen, als die ideale Ergänzung zur Unterschrift meines Vaters.

Mein Vater starb vor acht Jahren. Vor acht Jahren ging er von uns und hinterließ sein Lebenswerk auf Erden. Mich und meine Geschwister. Wir waren seine Aufgabe. Wir waren aber so gut wie erwachsen. Die ersten spreizten schon die Flügel verließen das Nest. Als mein Vater von uns ging, brauchte er sich keine Sorgen machen. Seine Aufgabe hatte er erfüllt.

#7 Ohana

„Ohana means family and nobody gets left behind.“

„Nani, du bist Lilo und ich bin Sticht, ok? Und wir sind Ohana!“

Mein Bruder hatte als Kind eine Phase, in der er besessen von dem Film „Lilo & Stitch“ war. Fast täglich musste ich ihn mit ihm anschauen und fast täglich stellten wir Szenen nach, in der ich Lilo und er Stitch spielte.

Im Film sagt Lilo zu Stitch, dass er sein „Ohana“ ist, also seine Familie. Am Ende, nachdem Stitch nur Unheil angerichtet hatte und jeder Böse auf ihn ist, geht er zutiefst betrübt auf Lilo zu und sagt ihr in seiner wackligen Alienstimme „Ohana means family and nobody gets left behind.“

Mein Bruder und ich sind neun Jahre auseinander. Meine Verbindung zu ihm ist manchmal sehr geschwisterlich, aber manchmal auch sehr mütterlich, aufgrund des Altersunterschieds. Wenn er mal Blödsinn gemacht hatte, kam er danach fast immer angekrochen und sagte „Du bist mein Ohana!“. Wer kann da noch böse sein?

#2 Saudade

“The Portuguese call it saudade: a longing for something so indefinite as to be indefinable. Love affairs, miseries of life, the way things were, people already dead, those who left and the ocean that tossed them on the shores of a different land — all things born of the soul that can only be felt.” ― Anthony De Sá, Barnacle Love

Das portugiesische Wort Saudade hat keine Übersetzung – in keine andere Sprache. Es fällt mir auch immer sehr schwer es anderen Menschen zu beschreiben, denn man muss es fühlen. Nur wenn man es fühlt, weiß man was damit gemeint ist. Wie soll man aber etwas fühlen, das man in seiner eigenen Sprache nicht kennt? Emotionen, Kultur und Weltanschauung sind ein so wesentlicher Bestandteil von Sprache, dass sie so schwierig zu übersetzen sind. Ich weiß das, denn ich habe Übersetzen und Dolmetschen studiert.

Saudade kann man als eine Mischung aus Weltschmerz und Sehnsucht beschreiben, das würde dem Wort aber nicht gerecht werden. Saudade ist mehr als nur ein Wort. Es steht für Melancholie, Sehnsucht, Schmerz, Nostalgie, Einsamkeit, unerwiderte Liebe, verstorbene Geliebte, Sehnsucht nach dem Heimatland. So aufgezählt, wirkt das Wort sehr negativ belastet, ist es aber nicht.

Saudade ist schön. Wer Saudade spürt, der lebt und liebt und weiß, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Ich habe da so ein Ding mit unübersetzbaren Wörtern.

Ich liebe Wörter und ich liebe Sprachen. Deshalb habe ich auch Kommunikations-wissenschaften, Sprachwissenschaften und Übersetzen und Dolmetschen studiert. Nicht alles, aber eine gute Mischung davon. Zu bestimmten Wörtern spüre ich dann auch eine sehr tiefsinnige Verbindung und aus diesem Grund habe ich mir einige von ihnen tätowieren lassen.

#3 hiraeth

Walisisch für Nostalgie, Heimweh.
Doch hiraeth bedeutet so viel mehr als das. Es ist wie saudade. Es steht auch für Sehnsucht. Der Sehnsucht nach einem heimeligen Gefühl, das man nicht mehr zurückbekommt. Ein Gefühl, dass man sich so sehr zurückwünscht, aber tief innen, weiß man, dass es niemals wieder so werden wird.

#4 epeolatry

„The worship of words“

Epeolatry bedeutet im übertragenen Sinne „Die Verehrung von Wörtern“ und stammt vom Griechischen  ἔπος (épos), das „Wort“ bedeutet.

Dieses Tattoo ist selbsterklärend. Ich liebe Wörter. Ich liebe es zu schreiben und zu lesen.

#5 καλοψία

Das Wort kalopsía ist Altgriechisch und wird aus den Wörtern καλός (kalósgut, schön, wundervoll) + ὄψις (ópsisSichtweise, Blick).

Es steht für dieses täuschende Gefühl, wenn Dinge und Erlebnisse schöner erscheinen als sie es in Wahrheit sind. Viele fragen sich jetzt, warum ich mir so ein Wort tätowieren lasse. Ich finde es wunderschön. Ich finde die Etymologie, die Zusammensetzung und das Aussehen des Worten so unfassbar schön und dessen Bedeutung erst. Ich glaube wir alle haben schon einige Phasen in unserem Leben gehabt, die auf den ersten Blick schön erschienen, aber bei genauerer Betrachtung erkennt man den grauen Schleier mit dem sie umwoben sind.

#8 يقبرني

Der Satz „ya’aburnee“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet im übertragenen Sinne „Du begräbst mich“ oder „Du bringst mich ins Grab“ und steht für eine so wundervolle Liebe, dass man ohne seinen Partner nicht leben möchte. Man möchte vor seinem Partner das zeitliche Segnen, denn ein Leben ohne ihn, wäre kein Leben. Aus diesem Grund muss der Partner einen zuerst begraben.

Ich wünsche mir auch so eine Liebe. Eine so intensive Liebe, dass man alles füreinender tun würde.

#9 Onda

Dance with the waves
move with the sea
let the rhythm of the water
set your soul free.
~ Christy Ann Martine

Wie „Saudade“ steht auch das Zeichen der Welle für meine Herkunft. Ich bin am Meer groß geworden. Ich ging bei Ebbe Krebse fangen und abends zum Strand, um den Sonnenuntergang zu bestaunen. Ich schlief mit dem Rauschen der Wellen ein und wachte mit demselben Geräusch wieder auf. Ich erlebte Winter, in denen die Wellen so hoch waren, dass sie bis an die Häuserfronten schlugen.

Das Meer ist mein Zuhause.

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