Wieso wir immer noch über Abtreibungen reden müssen | Über den §219a und das Recht am eigenen Körper

Wieso wir immer noch über Abtreibungen reden müssen | Über den §219a und das Recht am eigenen Körper

Wieso wir immer noch über Abtreibungen reden müssen | Über den §219a und das Recht am eigenen Körper

Bis vor kurzem hatte ich noch nie vom Paragraph 219a gehört und mich nie intensiver mit dem Thema Abtreibung beschäftigt. Weil ich nicht musste. Es ist an der Zeit, diesen Zustand zu verändern.

Was ist der Paragraph 219a?

Ungewollte Schwangerschaften sind ein unbequemes Thema – keines, das man einfach bei der nächsten Dinner Party in dem Raum stellt. Keines, über das besonders offen gesprochen wird und bei dem man sich – in der Regel – gut informiert und trittsicher fühlt. Eine Regelung, damit das so bleibt, ist der §219a, der in Deutschland seit einem Jahr immer wieder für Aufsehen sorgt. Dieser verbietet „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche. Klingt irgendwo absurd? Das wird es vor allem, wenn man sich die Umsetzung dieses ansieht, denn was als Werbung gewertet wird liegt im Auge des Betrachters. Anstoß zu Protesten in mehreren deutschen Städten letztes Wochenende war der Fall einer Allgemeinmedizinerin, die auf ihrer Webseite vermerkt hatte, dass sie Abtreibungen anbietet und daraufhin im Oktober 2018 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. 

Ein Kompromiss in Deutschland

An fachliche und nützliche Information über Schwangerschaftsabbrüche zu kommen war somit schwieriger, als eine Angela-Merkel-Zitronenpresse zu bestellen (ja – genau!). Nach monatelangen Verhandlungen soll es einen Kompromiss geben: Ärzte sollen von nun an angeben dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wer weiterhin nach Information sucht, soll diese auf externen Webseiten finden, die verlinkt werden dürfen. Ein Schritt in die richtige Richtung, doch für einen offenen und vor allem freieren Umgang mit diesem sensiblen Thema immer noch zu wenig.

Eine ungewollte Schwangerschaft ist – ob in Deutschland, Österreich oder anderswo – immer ein unglaublich persönliches und sensibles Thema, welches in unserer Gesellschaft eher nach dem Motto „ich sehe es nicht, also ist es nicht da“ gehandhabt wird, als dass ein offener Diskurs darüber entstehen kann. Ist man nun in der Situation, weitere Informationen zu benötigen, möchte man sich, denke ich, doch sicher und informiert fühlen: welcher Methode nimmt der Arzt/die Ärztin für den Abbruch vor, was kostet dieser und was erwartet mich danach?

Fragen, über die ich selbst noch nie nachgedacht habe und die ich so nicht beantworten könnte. Und genau das ist der Grund, warum wir immer noch über Abtreibungen reden müssen.

Wieso wir immer noch über Abtreibungen reden müssen

Halbwissen, Angst und Scham

Ein Abbruch einer Schwangerschaft – aus welchen Gründen auch immer – ist eine schwierige Entscheidung, die oft mit viel Halbwissen, Angst und Scham verbunden sein kann. Restriktive, wertende Gesetze wie dieses, fördern diese Gefühle nicht nur, sie hemmen auch die sexuellen Selbstbestimmung von Frauen und sprechen ihnen die Mündigkeit ab, eigene Entscheidungen zu treffen. Natürlich sollte diese Entscheidung keine leichtfertige sein, denn sie ist immerhin irgendwo lebensverändernd. Aber im Jahr 2019 erwarte ich mir, dass wir uns wie erwachsene Menschen an einen Tisch setzen können und ohne Angst vor Verurteilung auch Themen wie dieses ansprechen können.

In Österreich ist der Schwangerschaftsabbruch mit einer sogenannten „Fristenlösung“ geregelt. Dies bedeutet, der Abbruch einer Schwangerschaft ist straffrei, wenn er bis zum dritten Schwangerschaftsmonat von einem Arzt nach vorheriger Beratung durchgeführt wird.

Quelle: abtreibung.at

Es ist nicht selbstverständlich

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Frauenrechte und der weibliche Körper ist immer noch ein Austragungsgrund vieler Kämpfe – auch im Jahr 2019. Fast die Hälfte der jährlich knapp 56 Millionen Abtreibungen werden immer noch mit unsicheren Methoden à la Kleiderbügel durchgeführt. Dabei kann eine liberalere Politik und sicherer, enttabuisierter Zugang zu Abtreibungen kann sogar zu WENIGER Abbrüchen führen. Und genau deswegen ist es wichtig, die verhärteten Fronten und aufgezogenen Mauern zu dieser Thematik langsam abzubauen und Verständnis, anstatt Scham, walten zu lassen.

Abtreibung in Österreich

In Österreich gilt ein liberalerer Zugang, als in Deutschland oder Frankreich. Bei uns gibt es keine vorgeschriebene Wartezeit zwischen der ersten Beratung bei eine/m Ärztin/Arzt und dem Abbruch (drei Tage in Deutschland oder sieben Tage in Frankreich) und auch keinen Paragraphen 219a. Doch woran es auch bei uns nicht mangelt sind vorschnelle Verurteilungen und eine Schweigekultur rund um das Thema Abtreibung. Und vor allem in ländlicheren Gebieten gibt es auch bei uns noch Steine, die einem in den Weg gelegt werden – von hohen Kosten bis zur die Verfügbarkeit des Eingriffs.

Niemand steht gerne vor dieser schwierigen Entscheidung, vor der auch Verhütung manchmal nicht schützen kann. Aber ob wir es wollen oder nicht: dieses Thema betrifft uns alle. Und genau das ist der Grund, warum wir immer noch über Abtreibungen reden müssen.

 

Credit Beitragsbild: Photo by Kristina Flour on Unsplash

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